Donnerstag, 27. Dezember 2018

Vivere ancora


















Tito Schipa wurde heute vor einhundertdreißig Jahren ge-
boren, unter dem Namen Raffaele Attilio Amedeo Schipa
standesamtlich registriert wurde er jedoch erst am 2. Ja-
nuar 1889, damit er den Militärdienst ein Jahr später an-
treten konnte.

Montag, 17. Dezember 2018

Beese und die Zeichen


















Wäre die Übersetzerin, die auf dem Schmutztitel des vor
vierzig Jahren erschienenen Ullstein Buchs Nr. 3520 ein
Zeichen gab, nicht heute vor zwanzig Jahren in Manosque
(Département Alpes-de-Haute-Provence) gestorben, hätte
sie zum 50. 68er-Jubiläum die ein oder andere Erinnerung
beitragen können: zum Beispiel die an ihre zweisemestri-
ge Relegation von der FU, mit der sie für ihre Beteiligung
an der Besetzung des Philosophischen Seminars am 11. De-
zember 1968 bestraft wurde. Sie setzte ihr Studium in Kon-
stanz fort und kehrte erst 1970 wieder ans Berliner Institut
für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft zu-
rück — die Rede ist von Henriette Beese. 

Beese ist mir seit fünfundzwanzig Jahren ein Begriff. 1993
war auf Initiative von Nils Röller und Thomas Ravens eine
Lesegruppe enstanden, die die Lektüre von Gilles Deleuze
und Félix Guattaris 700-Seiten-Buch Milles Plateaux in der
ein Jahr zuvor im Merve-Verlag erschienenen Übersetzung
von Gabriele Ricke und Ronald Voullié gemeinsam bewäl-
tigen wollte. Bei den wöchentlichen Treffen von Anfang
an dabei waren die Verleger Heidi Paris und Peter Gente,
die nach bewältigtem Lektürepensum gerne von ihren Neu-
erscheinungen berichteten. Bleibenden Eindruck hinterließ
bei mir der 1993 erschienene fotomechanische Nachdruck
des vergriffenen Proust-Buchs von Deleuze, das zuerst 1978
in der Reihe Ullstein Materialien erschienen war; übersetzt
hatte es Henriette Beese.

Beeindruckt haben mich damals jedoch weder Proust, noch
Deleuze, auch nicht der zehn Jahre zuvor vom Ullstein-Ver-
lag von seinen „Pflichten entbundene“, ins Sachbuchressort
abgeschobene verantwortliche Lektor der wissenschaftlichen
Taschenbuchreihe „Materialien“ Andreas Catsch. Beeindruckt
hat mich der Text auf U4, der beim Merve-Verlag traditionell
einen Satz oder mehrere aus dem Buch zitiert. 

   

Montag, 19. November 2018

Vittoria Guerrini

















  
#cristinacampo #gliimperdonabili #irmengardgabler #dieunverzeihlichen #matthesundseitz

Sonntag, 4. November 2018

Il sogno di Davide


















Heute feiert der italienische Rapper Gemitaiz seinen
dreißigsten Geburtstag, zu dem ich ihm ganz herzlich
gratulieren möchte: Auguri di compleanno! Denn der
gebürtige Römer, der eigentlich Davide De Luca heißt,
macht nicht nur leidlich gute Musik, sondern gehört
auch zu den wenigen Italiener*Innen, die ihren ver-
ständlichen Abscheu vor Innenminister Salvini nicht
verhehlen. So hatte er am 14. Juni dieses Jahres auf
seinem Instagram-Account geschrieben: „Salvini ti au- 
guro il peggio. Se muori facciamo una festa (Salvini,
ich wünsche dir das Schlimmste. Wenn du stirbst, fei-
ern wir eine Party)“, den Eintrag jedoch schon bald
wieder gelöscht. Wer sich trotzdem ein Bild von den
Kommentaren enttäuschter Fans und erregter Salvini-
Anhänger machen möchte, kann seinen Eintrag vom
15. Juni konsultieren (#FUCKRACISM).   

Sonntag, 21. Oktober 2018

Pauvre Belgique


















ER IST WIEDER DA!
The Oswald Spengler Society™

Freitag, 19. Oktober 2018

La paura mangia l’anima


















Noizy ft. Ghali: Parku i lojrave (24.09.2018)


Donnerstag, 27. September 2018

Der universitäre Diskurs

 
















Nous verrons à l’occasion, puisque depuis quelques temps
il est clair que le discours universitaire s’écrit autrement
et qu’il doit être « uni vers Cythère », qu’il doit répandre
l’éducation sexuelle. Nous allons voir comment ça va se
faire, à quoi ça aboutira, il ne faut surtout pas y faire ob-
stacle. JL (16 janvier 1973)

Seit einiger Zeit ist es klar, das [sic] der universitäre Diskurs
sich schreiben muß uni-vers-Cythère, weil er ja die Sexual-
erziehung verbreiten muß. Wir werden sehen, zu was das
führen wird. Vor allem darf man sich dem nicht widersetzen.
(Übersetzung: Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim
Metzger [1986])   

Donnerstag, 6. September 2018

Cara Italia


















Glaubt man der deutschen Qualitätspresse, ist in Italien
Innenminister Salvini gerade der heiße Scheiß. Allen Ita-
lienliebhabern zuliebe könnte man ja mal darauf hinwei-
sen, dass „Cara Italia“, das neuste Video des 1993 in Mai-
land geborenen Hiphoppers Ghali Amdourni, auf Youtube
mittlerweile 95.785.586 mal abgerufen wurde.

Dienstag, 21. August 2018

Garten-Werden

















#diventaregiardino  #giardinoplanetario  #gillesclement
#groundaction  #zeninsieme  #manifesta12  #palermo

Mittwoch, 15. August 2018

Ferragosto 2018


















Francisco de Goya, Karton für die königliche Teppichma-
nufaktur (1777)

Samstag, 11. August 2018

#aufstehen


















 Wir dachten, Hautgout sei passé.

Donnerstag, 12. Juli 2018

Il cuore d’Europa


















Museo Archeologico Regionale Agrigento

Montag, 2. Juli 2018

Hands off Erasmus


















Liebe Nazis und Faschisten — Ihr benennt Eure Stiftung
nach jemandem, der so gar nicht zu Euch passt. Ihr glaubt,
er hätte, anders als Stresemann, keine Nachkommen, die
gegen Euer niederträchtiges Ansinnen klagen können. Doch
es gibt sie: Erasmus-Stipendiaten die seit 1987 seinem Cre-
do folgen, das er 1522 an Zwingli schrieb: Ego mundi civis
esse cupio, communis omnium, vel peregrinus magis. Bitte
sucht Euch einen andren Namen. 

Mittwoch, 27. Juni 2018

Primavera 2005


















Am Dienstag, den 10. Mai 2005 wurde das Denkmal für die
ermordeten Juden Europas eingeweiht. Eine Woche vorher
war in der ZEIT ein Text des italienischen Philosophen Gior-
gio Agamben erschienen: „Die zwei Gedächtnisse“. Die Ham-
burger Wochenzeitung hatte eine exklusive Baustellenbege-
hung organisiert und druckte meine Übersetzung seiner Ein-
drücke am Mittwoch, den 4. Mai ab (da der Donnerstag, an
dem die ZEIT üblicherweise erscheint, 2005 auf Christi Him-
melfahrt fiehl.)  

Montag, 4. Juni 2018

Je suis fainéant


















A.K. Je suis fainéant. Ce livre, je l’ai écrit voici dix ans
parce que j’ai été malade pendant un an, je m’ennuyais
et je l’ai dicté. Je le considérais comme faisant partie de
mes œuvres posthumes mais Queneau et Gallimard ont
insisté. J’ai écrit, voici quatre ans, un autre volume qui
prend place après celui-ci mais je ne sais pas si je le pub-
lierai, à quoi bon ? Oui, je suis fainéant et j’aime jouer…
en ce moment par exemple.
Alexandre Kojève, „Les philosophes ne m’intéressent pas,
je cherche des sages“, Interview mit Gilles Lapouge, La
Quinzaine littéraire, Nr. 53 (1.-15. Juli 1968). 
 

Sonntag, 20. Mai 2018

Was ist der Schöpfungsakt?


















„Der Titel Was ist der Schöpfungsakt? geht auf einen Vor-
trag zurück, den Gilles Deleuze im März 1987 in Paris hielt.
In ihm bezeichnet Deleuze den Schöpfungsakt als einen
»Widerstandsakt«. […] Deleuze definiert nicht, was er un-
ter »Widerstand leisten« versteht, sondern scheint es in
der geläufigen Bedeutung zu verwenden: sich der Macht
oder einer äußeren Bedrohung widersetzen. Im Gespräch
über das Wort »résistance« (»Widerstand«) im Abécédaire 
fügt er mit Blick auf das Kunstwerk ergänzend hinzu, dass
Widerstand zu leisten darin bestehe, eine Lebensmacht zu
befreien, die eingesperrt war; eine Definition des Schöp-
fungsakts als Widerstandsakt gibt Deleuze jedoch auch in
diesem Fall nicht.“ Giorgio Agamben, „Was ist der Schöp-
fungsakt?“, in: ders., Die Erzählung und das Feuer, Frank-
furt am Main 2017, S. 37-57, hier: S. 37.

Tatsächlich hielt Gilles Deleuze am Dienstag, den 17. März
1987 einen Vortrag an der Fémis, der Fondation européenne
des métiers de l'image et du son, mit dem Titel „Qu’est-ce
qu’un acte de création?“. 

Dienstag, 15. Mai 2018

Civis Berolinensis eram


Sonntag, 22. April 2018

Auf schastel marveile


















Nur im Abenteuer, in das er sich ganz und in größter Ver-
wirrung stürzt, erfährt Perceval seinen Namen […]; erst
wenn er es wagt, sich entgegen dem Rat seines Fährmanns
im Zauberschloss ins Wunderbett zu legen, vollendet sich
Gauvains Geschichte und erfüllt sich sein Schicksal. Die
ganze Geschichte demnächst bei Matthes & Seitz als 94.
Band der Reihe FRÖHLICHE WISSENSCHAFT: Giorgio Agam-
ben, Das Abenteuer. Der Freund.

 

Dienstag, 27. März 2018

Ottant’anni fa


















Am Abend des 25. März 1938 bestieg der Physiker Etto-
re Majorana ein Postschiff von Neapel nach Palermo. Mit
welcher Absicht? An den Leiter des physikalischen Insti-
tutes der Universität von Neapel schickte er noch einen
Brief. Am nächsten Tag folgte ein weiterer Brief an den
Institutsleiter aus Palermo: „Das Meer hat mich abgewie-
sen... Ich habe jedoch die Absicht, auf den Unterricht zu
verzichten.“ Was geschah in Palermo? Bestieg der junge
Physiker am Abend des 26. März erneut ein Schiff, um
nach Neapel zurückzukehren, wie er seinem Direktor an-
gekündigt hatte?

Donnerstag, 15. März 2018

La conquista dello spazio


Sonntag, 25. Februar 2018

Divertimenti teorici


















In der Regel werden internationale Trends in Deutschland
erst dann wahrgenommen, wenn Köpfe rollen oder die Bi-
lanzen stimmen. GUCCI kann mit beidem dienen. Drei Jah-
re nachdem Alessandro Michele mit einer bahnbrechenden
Show sein Amt als künstlerischer Leiter des italienischen
Modehauses antrat, ist es auch bei den betonierten Stilre-
dakteuren der deutschen Qualitätspresse angekommen: Die
Schluppenblusen sind gekommen, um zu bleiben. Und um
die als Show Notes getarnten Flugblätter einer sich gerade
warmlaufenden permanenten Revolution kommt man auch
nicht mehr herum. CYBORG, das jüngste Manifest, das zur
Präsentation der FALL WINTER 2018-2019 COLLECTION ge-
reicht wurde, hat ein*e Geladene*r abfotografiert und auf
Twitter gepostet:

 
















The challenge of the disciplinary power is to impose a pre-
cise identity on the subject. This operation is carried out
placing the subject inside binary fixed categories, as the nor-
mal / abnormal one, with the specific intent of classifying,
controlling and regulating the subject. The regulative strate-
gies prove so alluring that the subject voluntarily chooses to
stick to that particular categorization, claiming its positioning
inside a given social structure. In this frame of reference, the
regulation of the living body uses the concept of identity as a
device of bio-political control (M. Foucault).

 
















Identity, though, is neither a natural matter nor a preset
category, which can be imposed with violence. It’s not an
immutable and fixed fact, rather a social and cultural con-
struction and, as such, it’s a matter of choice, joining, in-
vention. Identity, thus, is a never ending process, keen on
new determinations each time. The consciousness of how
everything is socially built, even who we are, opens a field
of fresh possibilities to performatively explore. A field of
liberty and responsibility in which anybody can become who
he / she really wants to be, getting social expectations and
personal desires back in the game.


















The subjectivities embodying Gucci’s pluriverse move in
this field, which is ethic and political at the same time.
They represent the invitation to diverge, not conforming
to univocal and other-directed identity models, and the en-
couragement to spread other ways of thinking about our-
selves that are able to violate preset categorizations. In
this regard, what can seem atypical, anomalous, flawed to
a normalizing eye, acquires a new legitimacy. A new breath.
The courageous affirmation of the self and its singularity. 

 
















The collection goes further beyond, taking the shape of a
genuine Cyborg Manifesto (D. J. Haraway), in which the hy-
brid is metaphorically praised as a figure that can overcome
the dualism and the dichotomy of identity. The Cyborg, in
fact, is a paradoxical creature keeping together nature and
culture, masculine and feminine, normal and alien, psyche
and matter. Conflicting with any categorie grid, the Cyborg
is the expression that blends different evolving identities.
Hybrid and shifting identities, built on multiple belongings,
that transgress the normative discipline.

 
















Gucci Cyborg is post-human: it has eyes on its hands, faun
horns, dragon’s puppies and doubling heads. It’s a biologi-
cally indefinite and culturally aware creature. The last and
extreme sign of a mongrel identity under constant transfor-
mation. The symbol of an emancipatory possibility through
which we can decide to become what we are.  

Mittwoch, 24. Januar 2018

Prosa der Verhältnisse


















Bis heute hatte ich nicht den geringsten Anlass, meinem
Vorsatz, mich nicht durch Kommentierung von Onlinear-
tikeln zum Deppen zu machen, untreu zu werden. Nach
der Lektüre des Artikel „Löschung und Überschreibung“
von Andreas Platthaus, einem Kommentar der Entschei-
dung des Senats der Berliner Alice-Salomon-Hochschule,
Eugen Gomringers Gedicht „Avenidas“ an der Südfassade
des Gebäudes durch ein anderes zu ersetzen, gab es kein
Halten mehr. Ich meldete mich im Kommentarbereich der
FAZ an und hämmerte 335 Zeichen in das dafür vorgesehe-
ne Feld:

Da man es „poetologisch versierten“ Institutionen wie
dem Feuilleton der F.A.Z. und dem P.E.N. eh nicht recht
machen kann, sollte man einfach den Titel der 1906 bei
Duncker & Humblot in Leipzig erschienenen Dissertation
Alice Salomons an die Südfassade schreiben: „Die Ursa-
chen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frau-
enarbeit“.

Herzlichen Dank, liebe FAZ, dass Deine Moderatoren mir
geholfen haben, meinem Vorsatz auch weiterhin treu ge-
blieben zu sein. Wäre mir echt peinlich gewesen, wenn
sie den Kommentar hochgeladen hätten. Aber vielleicht
verstößt er ja auch gegen die „Richtlinien“: nicht kon-
struktiv genug. Wie wäre es mit:

Weshalb übermalen: Freskomalerei kann durchaus abge-
tragen und andernorts angebracht werden. Im Fall von
Gomringers Zeilen bietet sich eine Fassade des Litera-
turinstituts in Hildesheim oder eines Studentinnenwohn-
heims (mit kleinem i) des Opus Dei an: Habitate der vom 
FAZ-Feuilleton so hoch geschätzten Poesie des (abenteu-
erlichen) Herzens.