Mittwoch, 16. April 2008

Antonionis China


Kürzlich erweckte die Übersetzung eines Textes von Luciano
Berio in mir einen lang gehegten Wunsch, der sich über die

Jahre etwas abgekühlt hatte, zu neuem Leben: endlich einmal
Antonionis China-Film mit eigenen Augen zu sehen.


1999 hatte ich für den akademischen Betrieb einen Aufsatz
von Roland Barthes übersetzt, der noch nicht auf deutsch
erschienen war: "Le bruissement de la langue", das Rauschen

der Sprache. Dieser kurze Text von 1975 kulminiert in der

Beschreibung einer Szene aus Antonionis Film, in deren

Verlauf Barthes "das Rauschen der Sprache" vernommen zu

haben meinte: "In einer Dorfstraße lesen Kinder, an eine Mauer

gelehnt, laut und jeder für sich alle zusammen ein anderes

Buch." (Übersetzung: Dieter Hornig)


Wenn es darum geht, eine Ekphrasis zu übersetzen, entsteht

in mir unweigerlich der Wunsch, das, was von anderen Augen

gesehen und genauestens beschrieben wurde, mit den eigenen

zu sehen. Ob sich dieser Wunsch lediglich meiner besonderen

Disposition schuldet, man in der Regel auf diese außersprachliche

Referenz jedoch durchaus verzichten könnte, mag ich nicht

entscheiden. Er war da und ließ mich nach dem Film suchen.

Vor nunmehr fast zehn Jahren blieb diese Suche ergebnislos.
Diesmal konnte der wiedererweckte Wunsch postwendend

befriedigt werden. Feltrinelli hat 2007 den "unauffindbaren

Dokumentarfilm Antonionis über China" als DVD veröffentlicht.


Der erste Eindruck, den Chung Kuo – Cina auf mich machte:
Es gibt Wünsche, die es hartnäckig zu
hegen lohnt.